
Wenn der Virusinfekt chronisch wird.
STELL DIR VOR, du erträgst die Welt da draussen nicht mehr, weil dein vegetatives Nervensystem komplett verrücktspielt.
Alles ist zu hell, zu laut – nicht mehr greifbar, weil du dich fühlst, als seist du losgelöst. Losgelöst vom Schutz deines Körpers, der dich durch diese Welt trägt.
Dein Körper befindet sich permanent im Fluchtmodus, deine Antennen sind so fein eingestellt, dass sogar die Anwesenheit einer anderen Person schon zur Belastung werden kann.
Alles um dich herum scheint sich ständig zu bewegen und in deinem Körper herrscht Krieg. Ein Krieg gegen deine Zellen, deine Nerven, dein Hirn, deine Muskulatur, deine Sinnesorgane… Ein Krieg auf allen Ebenen.
Und es gibt kein Mittel, wie du ihm entkommen kannst.
Einfach aus dem Leben gerissen, als hätte eine Bombe eingeschlagen und dich in deinen Grundmauern erschüttert. Das Schlimme daran: Es hört nicht auf. Das Chaos beginnt sich nicht neu zu ordnen. Und wenn doch, dann viel zu langsam, dass du dich wieder entspannen könntest.
Du kannst keinen klaren Gedanken fassen. Und wenn doch, dann nur für kurze Zeit, um danach noch erschöpfter zu sein. Das Sprechen und auch das Zuhören strengen dich zu sehr an. Dein Stresslevel ist zu hoch und deine Batterien so leer, dass du nicht mehr in der Lage bist, sie aufzuladen. Jede noch so kleine Anstrengung entleert sie noch mehr. Manchmal erst ein bis drei Tage später als «Crash» ersichtlich und spürbar (dies wird als PEM bezeichnet – siehe Box). Grippesymptome, Muskelprobleme und daraus resultierende Ängste sind nicht nur an der Tagesordnung… Sie belasten auch deine schlaflosen Nächte. Total erschöpft und doch findest du keinen erholsamen Schlaf.
Wir sind uns gar nicht bewusst, wie wunderbar uns ein funktionierendes vegetatives Nervensystem in der Balance hält.
Alles, was dein Leben so lebenswert gemacht hat, ist jetzt einfach ZU VIEL.
Es bleibt dir nichts anderes übrig, als dich zu verkriechen und auszuharren. Und je länger es dauert, desto mehr verschwindest du von der Bildfläche, desto kleiner wird dein Bewegungsraum, desto dunkler wird es in deinem Zimmer und desto mehr versuchst du Geräusche von aussen auszublenden.
Dein Freundeskreis schrumpft und wenn du Glück hast, sind da ein Partner, eine Partnerin oder Eltern, die sich um dich kümmern.
Wird für deine privaten Betreuer das alles zu viel, gibt es keine Einrichtungen, die dich deinen Bedürfnissen gerecht stationär aufnehmen können, um dich in dieser dunklen Zeit zu begleiten.
Du verschwindest aus dem Arbeitsleben, aus der Gesellschaft – wirst vergessen.
Und doch BIST DU NOCH DA!
Du möchtest LEBEN!
Die Medizin ist noch nicht so weit, um zu wissen, wie sie mit solchen Menschen wie dir umgehen sollen. Sie haben keine Mittel, um diese Krankheit zu behandeln. Obwohl sie seit 1969 bekannt ist, wurde nicht geforscht. Das heisst, es werden keine Therapien verschrieben, weil für diese Krankheit Studien fehlen.
Oft musst du den Ärzten sogar selbst erklären, was sie im Blut untersuchen sollen, da sie die Krankheit nicht kennen. Und dass das nicht jedem Arzt gefällt, kannst du dir ja sicher vorstellen.
Kämpfen und für sich einstehen, wo eigentlich die Kraft fehlt.
Der Weg, den die Medizin kennt, ist für dich zu belastend, zu hell, zu laut und nicht darauf ausgerichtet, auf deine Bedürfnisse einzugehen. Wenn du Glück hast, findest du noch einen Arzt, der zu dir nach Hause kommt. Wenn du Glück hast…
Für dich ist der Gang zum Arzt nicht mehr möglich, denn der «Crash» der darauffolgt, schmeisst dich wieder für Tage, ja Wochen zurück.
Was dir bleibt ist das Hoffen auf ein Medikament, ein Mittel, eine Therapie, die irgendwann einmal anschlagen wird. Doch das Ausprobieren ist ein Kraftakt, den du irgendwann nicht mehr zu bewältigen magst.
Wenn DU DIR das vorstellst, wie fühlst du dich dabei?
Hilflos?
Machtlos?
Überfordert?
Unverstanden?
Allein gelassen?
Hoffnungslos?
So fühlen wir uns tagtäglich. Seit fast drei Jahren.
Ich könnte ein Buch darüberschreiben, welchen Horror wir bereits auf medizinischer Seite erleben mussten.
Wenn die eigene Tochter mit 30 Jahren mittlerweile nur noch im Bett liegen kann, kein Tageslicht mehr erträgt, auf alle Geräusche überreagiert, der Gang zur Toilette noch das Einzige ist, wofür sie aus dem Bett kommt, sie die endlosen Stunden an sich vorbeiziehen lassen muss, ohne Musik, ohne ein Buch, ohne Gespräche oder Besuch – weil es schlichtweg zu überfordernd ist und in den nächsten «Crash» führen kann – ja, dann zerreisst es einem als Eltern fast das Herz.
Und nicht nur das! Auch wir kommen immer mehr an unsere Grenzen. Auch wir fühlen uns alleine gelassen. Auch wir haben keine Ahnung, wie es weitergehen soll.
Es fehlen Studien, Forschung und die Erkenntnis, dass diese Menschen schwer krank sind. Vielen Ärzten müssen sie immer noch selbst erklären, was ME / CFS eigentlich ist (Definition in der Box).
Es ist nicht einfach nur in ihrem Kopf.
Man kann sie nicht einfach in die psychische Schublade stecken. Es braucht Aufklärung, es braucht Hilfe.
Ich wünsche mir aus tiefstem Herzen die Anerkennung dieser Krankheit und dass die erkrankten Menschen ernst genommen werden. Ein wichtiger Schritt in die Richtung, um eine Lösung zu finden.
Aus diesen Zeilen spricht die Verzweiflung einer liebenden Mutter.
Voller Mitgefühl für alle, die auf irgendeine Art davon betroffen sind
Sascha Renger

ME/CFS und PEM
ME/CFS ist eine neuroimmunologische Erkrankung, die in jedem Alter auftreten kann. Betroffene können in unterschiedlichen Graden von der Erkrankung betroffen sein. In einigen Fällen können, Betroffene das Haus nicht mehr verlassen oder sind bettlägerig.
ME/CFS bedeutet ausgeschrieben: Myalgische Enzephalomyelitis und Chronisches Fatigue Syndrom. Es handelt sich hierbei jedoch um ein komplexes Krankheitsbild. Dieses ist nicht zu verwechseln mit Fatigue als Begleitsymptom. ME/CFS kann plötzlich oder schleichend beginnen. 75 Prozent der Betroffenen erkranken nach einem fieberhaften Infekt. Am häufigsten tritt ME/CFS in der Jugend oder im mittleren Alter auf. Dabei sind Frauen 3-mal häufiger von ME/CFS betroffen als Männer.
Quelle: https://www.enableme.ch/de/behinderungen/me-cfs-mehr-als-nur-erschopfung-9599
PEM = Post-Exertionelle Malaise, das Leitsymptom der Myalgischen Enzephalomyelitis/Chronischen Fatigue-Syndrom (ME/CFS), bei der sich Symptome nach geringster Anstrengung – körperlich, geistig oder emotional – verschlimmern, was oft zu einem "Crash" führt.
Quelle: Google
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Kommentare
Liebi Sascha es ist wirklich unbegreiflich das man nur hilflos zu schauen muss. Und keine Hilfe dafür bekommt. Es ist ein schwacher Trost aber ich muss mit der Krankheit ALS meiner Schwester genau so hillflos zu sehn wie wie ihr Leben von Tag zu Tag ab gibt. Ich wünsche Euch viel Kraft,Hoffnung und Glück für Eure Tochter mein grosses mit gefühl😘
Liebe Franziska
Herzlichen Dank für deine Worte. Ich wünsche auch dir und deiner Familie weiterhin die Kraft, für deine Schwester so da sein zu können, wie sie es braucht.
Liebe Grüsse
Liebe Sascha
Bin gerade sehr betroffen von deinen Zeilen, die ich gelesen habe.
Ich wünsche dir, deiner Tochter, dass bald ein Licht auf euren Weg konntt und euer Weg wieder heller wird.
Mit einem lieben Gedanken voller Hoffnung,
Regina
Ps: ich kenne einen erfahrenen Akupunkturarzt, der mir nach neun Monaten ohne Geschmack, diesen wieder zurückgebracht hat. Die anderen Ärzte haben ihn belächelt, weil er eben anders ist, aber er war der einzige, der mir helfen konnte.
Liebe Regina
Schön von dir zu lesen. Vielen Dank für deine lieben Wünsche.
Von Herzen
Hallo liebe Sascha,
vielen Dank dafür, dass Du Dich zeigst, bzw die Geschichte Deiner Tochter teilst.
Ich habe selber aus eigener betroffenheit, meine Frau ist bettlägerig seit LongCovid und auch ich nur noch ein Bruchteil meiner selbst, ein Projekt ins LEben gerufen namens IchBinKeinEinzelfall.ch dort wollen wir allen Betroffenen, Bekannten und auch Fachkräften eine Anlaufstelle zum austausch bieten.
Wir sammeln auch genau solche Berichte wie diesen hier um zu zeigen dass DU eben KEIN Einzelfall bist und es viele von UNS gibt. Genau darum wollen wir Betroffenen eine Stimme verleihen die zusammen lauter hallt.
Es wäre super lieb, wenn Du die Geschichte Deiner Tochter dort teilen würdest.
Vielen herzlichen Dank und Euch alles Liebe.
https://ichbinkeineinzelfall.ch
Thomas & Jenny
Lieber Thomas
Das ist wundervoll, dass du die Kraft dafür hast, eine Plattform zu schaffen. Ich hoffe, dass sehr viele den Weg dorthin finden werden.
Ich wünsche dir und deiner Frau viel Kraft, Zuversicht und dass die Hoffnung nicht verloren geht.
Liebe Grüsse